Rosenblatt by Sievers

Rosenblatt by Sievers

Autor:Sievers
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-04-20T22:00:00+00:00


Sie stellte den Oldtimer kurz nach vier auf den Vorplatz, blieb sitzen, ließ den Händel zuende spielen, Hallelujah, zum wievielten Mal. Zwei Stunden bis zum Aufstehen, nicht einmal, Hannes würde empört sein, besser, sie schliefe im Gästezimmer. Duschen würde sie nicht, sie wollte den Geruch von Leos Geschlecht unter der Decke einfangen, die Hände auf die klebrige Nässe ihrer Schenkel legen.

Sie stieg aus dem Auto, schloss leise die Tür, erreichte die Küche unbemerkt, trank in gierigen Schlucken Wasser aus dem Hahn. Ging auf die Toilette, schob das Kleid nach oben, betrachtete ihre geschwollene Vagina, wundgefickt. Später lag sie auf dem Bett, das zerrissene Kleid am Boden, darauf die hohen Schuhe, sie starrte an die Decke und zitterte vor Glück, zum ersten Mal seit langer Zeit.

Der Himmel war sternenklar um sechs, als Maria aufstand, vollkommen gerädert, sie ging unter die Dusche, shampoonierte sich ein von oben bis unten, die Pathologin, die sie gleich träfe, wäre geschult darin, Gerüche zuzuordnen, Düfte wie den, der heute Morgen den Raum erfüllt hatte wie ein Opioid. Sie kehrte noch einmal zurück ins Gästezimmer, schüttelte das Bett auf, öffnete das Fenster, Hannes würde es gegen neun auf seinem Rundgang durch das Haus entdecken und schließen.

Ihr war schwindelig, Restalkohol im Blut, sie ging in die Küche und trank eine Tasse nachtschwarzen Kaffees, eine zweite, fühlte sich etwas besser, erlaubte sich, fünf Minuten am Tisch zu sitzen, den Kopf in die Hände gestützt, ihre Gedanken zu ordnen; war das ein Ausrutscher gewesen oder hatte sie jetzt einen Liebhaber? Sie versuchte, sich zu erinnern, was Leo zum Abschied gesagt hatte: »Man sieht sich«, oder »Ich muss dich sehen«, das konnten zwei vollkommen verschiedene Dinge sein.

Plötzlich war sie da, die Angst zu verlieren, wie hatte sie vergessen können, dass Liebe Schmerz war, mehr als alles andere.

Im Schrank des Gästezimmers lagen Unterwäsche, Jeans und Bluse, sie zog sich an und dachte: Nie wieder kann ich neben Hannes liegen, ich kann den Anblick nicht mehr ertragen, wie er mir den Rücken zukehrt.

Sie ging die Treppe hinauf ins Kinderzimmer, fand Heinrich und Elisabeth in tiefem Schlaf, der Kopf des Mädchens an der Brust des Bruders. Maria deckte sie zu, küsste geschlossene Lider.

Sie trat auf den Flur, im Spiegel eine Fremde, das Gesicht blass, die Augen rot gerändert, die Nase groß und spitz. Plötzlich wollte sie fliehen, fort von sich, wären nur die Kinder nicht, sie hastete die Treppe hinab, nach draußen, fand den Oldtimer unverschlossen, warf ihre Tasche auf den Beifahrersitz, gab Gas, dass der Kies stob, die Hühner flatterten auf.

Die Pathologin war eine schöne Frau von fünfzig, das tiefschwarze Haar straff zurückgebunden zu einem Zopf, kein Make-up auf dem glatten Gesicht außer rotem Lippenstift auf schmalen Lippen, die Glieder lang, der Gang eines Raubtieres. Sie streckte Maria die Hand entgegen, sie sei Professor Chiari, es freue sie, Frau Kommissarin, auch wenn der Anlass kein erfreulicher sein dürfte, sie ermittele also in einer Kunstfehlerangelegenheit.

Sie standen vor einer Milchglastür, daneben an der Wand ein unauffälliges Schild mit dem Schriftzug Pathologie. Maria ergriff Chiaris Hand und schüttelte sie, ob sie sich einen Moment lang setzen könnten.



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